Fortführung der Sonderregelungen im Vereinsrecht zur Sicherung der Handlungsfähigkeit der Vereine und zur Durchführung von Mitgliederversammlungen während CORONA-Zeiten
(Stand: 25.11.2020)
Von RA Richard Didyk, München
Durch das "Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie" vom 27.03.2020 wurden Sonderregelungen zum Vereinsrecht geschaffen. Nach § 5 dieses Gesetzes wurde einerseits die Handlungsfähigkeit der Vereine sichergestellt, wenn wegen der CORONA-Pandemie eine Neuwahl des Vorstands nicht rechtzeitig vor Ablauf der Amtsperiode stattfinden konnte; andererseits war es in Abweichung zu den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auch zulässig, entweder Mitgliederversammlungen durchzuführen, ohne dass die teilnehmenden Mitglieder alle an einem Versammlungsort anwesend sein müssen (Online-Versammlungen), oder aber auch Beschlüsse gänzlich außerhalb einer Mitgliederversammlung herbeizuführen (Umlaufverfahren). Diese Sonderregelungen waren allerdings zeitlich befristet und ausdrücklich nur auf im Jahre 2020 ablaufende Amtsperioden von Vorständen oder im Jahre 2020 stattfindende Mitgliederversammlungen anwendbar.
Nachdem für das Jahr 2021 weitere CORONA-Einschränkungen zu erwarten sind, wurde die Geltung der für die Vereine getroffenen Sonderreglungen nunmehr durch Verordnung des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (GesRGenRCOVMVV) bis zum 31.12.2021 verlängert. Die Verordnung ist am 28.10.2020 im Bundesgesetzblatt 2020 Teil I Nr. 48 Seite 2258 veröffentlicht worden und demnach am 29.10.2020, in Kraft getreten.
Dies bedeutet auch für das Jahr 2021 konkret:
"§ 5 Vereine und Stiftungen
(1) Ein Vorstandsmitglied eines Vereins oder einer Stiftung bleibt auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt.
(2) Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung Vereinsmitgliedern ermöglichen,
- 1. an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder
- 2. ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben.
(3) Abweichend von § 32 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist ein Beschluss ohne Ver-sammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde."
Zahlreiche Vereine haben ihre Mitgliederversammlungen, die im Laufe des Jahres 2020 vorgesehen waren, wegen der Pandemie abgesagt und nach 2021 verschoben. Die Verlängerung der Sondervorschriften erstrecken sich damit sowohl auf die verschobenen als auch auf die ursprünglich erst in 2021 anstehenden Versammlungen.
Ob die Absagen immer mit den (satzungs-) rechtlichen Vorgaben vereinbar waren, soll dahinstehen. Vor dem Hintergrund, dass das CORONA-Gesetz unter dem gesetzlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht, wenn es um Eingriffe in die Vereinsautonomie geht und lediglich die Handlungsfähigkeit der Vereine gesichert werden sollte, haben Bestimmungen in der Satzung immer noch Gültigkeit, so beispielsweise wenn Jahresversammlungen vorgegeben, konkrete Einberufungsmodalitäten zu beachten und erforderliche Mehrheiten zu erreichen sind. Die Sonderregelungen sollen dazu lediglich die Möglichkeit einräumen, die Durchführung von Mitgliederversammlungen zu erleichtern.
Hinweis für die Praxis
1. Grundsatz für Mitgliederversammlungen ist und bleibt nach dem BGB daher zunächst die Präsenzveranstaltung. Solange diese nach den staatlichen Vorgaben zu Kontaktbeschränkungen möglich ist, weil die Hygienevorschriften eingehalten werden können und die Anzahl der teilnahmeberechtigten Mitglieder unter den zahlenmäßigen Versammlungsbeschränkungen liegt, ist die Versammlung auch als Präsenzversammlung durchzuführen. Sollten einzelne Teilnehmer an dieser Versammlung aus persönlichen Gründen nicht teilnehmen können oder wollen, kann ihnen durch den Vorstand die Möglichkeit eingeräumt werden, bereits vor der Versammlung ihre Stimme zu einzelnen Beschlussgegenständen schriftlich abzugeben. Diese Stimmen sind dann bei der Feststellung der Mehrheiten während der Präsenzversammlung zu berücksichtigen.
2. Kann die Versammlung unter CORONA nach aktuellen staatlichen Vorgaben nur mit einer be-schränkten Teilnehmerzahl oder überhaupt nicht als Präsenzveranstaltung stattfinden, besteht die Möglichkeit, dass Beschlüsse auch ohne direkte Präsenz der Teilnehmer am Tagungsort im Rahmen von Online-Versammlungen herbeigeführt werden; dazu werden die Teilnehmer über elektronische Kommunikation einschließlich E-Mails direkt in die Versammlung hinein zugeschaltet. Fehlt es bei Teilnehmern an den technischen Möglichkeiten, kann ihnen wiederum ermöglicht werden, ihre Stimme vor der Online-Versammlung auf dem Schriftwege mitzuteilen.
3. Als Alternative zu einer (Online-)Versammlung besteht bereits nach § 32 Abs. 2 BGB die Möglichkeit, Beschlüsse auch außerhalb einer Versammlung zu fassen und damit statt einer Versammlung ein Umlaufverfahren durchzuführen. Die nach § 32 BGB dafür strengen Vorgaben wie Zustimmung aller Mitglieder zur Durchführung des Umlaufverfahrens und die immer erforderliche Einstimmigkeit bei Beschlüssen wurden durch die Sonderregelungen erleichtert. Danach muss zur Wirksamkeit der Beschlüsse allen – nach der Satzung an der Mitgliederversammlung teilnahmeberechtigten, nicht unbedingt zugleich auch stimmberechtigten – Mitglie-dern die Beteiligung eröffnet werden (weil sie z.B. Anträge einbringen können), mindestens die Hälfte der – nunmehr stimmberechtigten – Mitglieder innerhalb einer gesetzten Frist ihre Stimme in Textform (oder auch schriftlich) abgegeben haben und daraus die für den Beschluss nach der Satzung erforderliche Mehrheit erreicht worden sein. Gegenstand des Umlaufverfahrens können alle auch sonst in der Mitgliederversammlung behandelten Angelegenheiten sein.
Die praktischen Erfahrungen aus Umlaufverfahren generell, insbesondere auch in 2020 haben gezeigt, dass die Organisation und Durchführung dieses Verfahrens der besonderen Planung und Vorbereitung bedarf, insbesondere wenn die Beschlüsse sich auf Angelegenheiten erstrecken, für die beispielsweise wie bei Satzungsänderungen oder Neuwahlen eine Eintragung in das Vereinsregister ansteht. Dies gilt für die Einleitung des Umlaufverfahrens, die Mitteilung der Tagesordnung und die Gestaltung der Abstimmungsbögen zu den einzelnen Beschlüssen, die Fristsetzungen und Zugangsmodalitäten für die Stimmabgabe und die Feststellung der Mehrheiten.
Hinweis für die Praxis
Die Erleichterungen für die Durchführung der Mitgliederversammlungen gelten nach der amtlichen Begründung zur Verlängerungsverordnung vom 29.10.2020 auch für die Durchführung von Vorstandssitzungen. Damit können selbst bei CORONA bedingten engsten Kontakt- und Versammlungsbeschränkungen Vorstände im Rahmen einer Online-Sitzung zusammenkommen oder Beschlüsse über Umlaufverfahren herbeiführen (§§ 28, 32 BGB in Verbindung mit den Sonderregelungen).
Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass der Gesetzgeber mit den nunmehr verlängerten Sonderregelungen zum Vereinsrecht die Handlungsfähigkeit der Vereine weiterhin sichergestellt und die Herbeiführung von Beschlüssen innerhalb oder außerhalb einer Mitgliederversammlung oder einer Vorstandssitzung auch unter CORONA-Bedingungen ermöglicht hat. Daher liegt es nunmehr an den Vereinen, diese Möglichkeiten bevorzugt auch unter entsprechendem Einsatz technischer Einrichtungen zu nutzen und auf diese Weise den in der Satzung vorgesehenen zeitlichen Vorgaben für eine Versammlung oder Sitzung Rechnung zu tragen. Die bloße Absage von Versammlungen unter Hinweis auf CORONA wird für die Zukunft nicht mehr ausreichen und bei den Mitgliedern auf berechtigte Entgegnungen stoßen; stattdessen ist eine rechtzeitige Planung und Organisation von möglichen Alternativen zur Herbeiführung von Beschlüssen angezeigt.
gez. RA Richard Didyk